“Angehörige sind Erfahrene”

Im Paranus Verlag ist das Buch “Angehörige sind Erfahrene. Ein Ermutigungsbuch” erschienen, herausgegeben von Fritz Bremer und Hartwig Hansen.

Das Buch enthält 16 Erfahrungsberichte von Angehörigen, überwiegend geschrieben von Müttern psychosekranker Kinder. Alle Berichte sind von sehr engagierten Eltern verfasst, die viel für ihre Kinder getan haben und immer noch leisten. Sie berichten bewegend, wie schockierend die Erkrankung des Kindes für sie war. Wie sich die Perspektive verschob: Nicht mehr waren Enkelkinder, ein harmonisches Familienleben, eine berufliche Karriere für das Kind zu erwarten, sondern plötzlich ging es um Krisenintervention, Medikamente, Selbständigkeit und ein Stückchen Hoffnung. Die Angehörigen beschreiben, was das mit ihnen gemacht hat, wie sie damit umgegangen sind und wie sie ihren Weg gefunden haben.

Sowohl als Betroffene als auch als Wohnbetreuerin weiß ich, dass die Ablösung vom Elternhaus bei Psychose oft nicht gut gelingt. Das erwachsene Kind würde gerne selbständig sein, vielleicht auch gerne weniger Kontakt mit den Eltern haben, aber es gibt immer wieder Not und Schwierigkeiten, die Hilfe von den Eltern verlangen. Auch die Eltern können nicht gut loslassen, sie machen sich Sorgen und glauben, dass ihre Hilfe immer wieder gefordert ist. Das Resultat sind ambivalente und auch schwierige familiäre Beziehungen, die auch oft einer guten Entwicklung der Betroffenen nicht so zuträglich sind. So beschreibt Janine Berg-Peer in dem Buch, dass es sehr förderlich für alle Beteiligten war, als sie eine gewisse Gelassenheit erlernte und nicht mehr ständig ihrer Tochter hilfreich zur Seite sprang.

In dem Buch wird vor allem die emotionale Not der Angehörigen sichtbar, die oft sogar in Verzweiflung mündet. Alles scheint verfahren und hoffnungslos und man selbst fühlt sich hilflos, der Situation nicht gewachsen, ohne Möglichkeiten, alles zum Guten zu wenden. Dazu Scham und Schuldgefühle angesichts der Verhaltensauffälligkeiten und der bislang ungeahnten Situationen, in die man verstrickt ist. Diese große emotionale Not wird in vielen Bildern beschrieben und teilt sich dem Leser unmittelbar mit. Und genau darin, in diesem sich schwach fühlen, liegt die Stärke des Buches.

Ich hoffe, viele Professionelle werden das Buch lesen, damit sie lernen besser mit den Angehörigen ihrer Klienten umzugehen. Ich hoffe, viele Betroffene werden das Buch lesen, damit sie sich berühren lassen und vielleicht auch ihre eigenen Angehörigen besser verstehen. Ich hoffe, viele Angehörige werden das Buch lesen, damit es für sie ein Ermutigungsbuch sein kann, nicht nur stark ihren Weg zu gehen, sondern auch schwach diese emotionale Not mit anderen zu teilen.

Fritz Bremer sagt im Vorwort, dass diese persönlichen Berichte ein Geschenk sind. Auch von mir ein Dankeschön für dieses Geschenk!

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