Im Psychiatrie Verlag erschienen ist das Buch “Der Praktikant, die Wölffin und das Amt” von Ilse Eichenbrenner.
Im Mittelpunkt des Buchs, das 1999 erschien und in den 90er Jahren in Berlin spielt, steht Karsten Schäfer, Praktikant im Anerkennungsjahr als Diplomsozialarbeiter im Sozialpsychiatrischen Dienst. Eigentlich hat es ihn unverhofft und ohne bewusste Wahl in die Sozialpsychiatrie verschlagen. Er staunt über die veraltete Ausstattung des Amts, die psychisch kranken Menschen, um die es sich kümmert, und die große Macht im Hilfesystem des Bezirks. Der Praktikant versucht die Regeln des Amts zu verstehen, vieles ist ernüchternd, so wird alles Mögliche abgelehnt und abgewimmelt, abgesichert. Selten kann man Gespräche führen, wie man es im Studium der Sozialen Arbeit gelernt hat, selten ist mehr möglich, als das Kind wieder raus zu fischen, nachdem es in den Brunnen gefallen ist.
Ilse Eichenbrenner gibt einen in meinen Augen bis heute aktuellen und sehr ernüchternden Einblick in die Arbeit des Sozialpsychiatrischen Dienstes. Gleichzeitig findet Karsten Schäfer, der Praktikant, hier eine Nische für sich, wo er sich erstmals ein gutes eigenes Leben vorstellen kann: Umgeben von Krisen und Menschen in prekären Lebenslagen, wenn klug entschieden werden muss und doch auch Fehlentscheidungen zwangsläufig passieren, in einem Umfeld, in dem Gutmenschen, die “helfen wollen” wohl falsch wären, da blüht der Praktikant auf und findet seinen Weg.
Ja, die Arbeit hat ihre Schattenseiten. Aber eben auch ihren Reiz. Die Sozialpsychiatrie ist eine eigene Welt, die doch für einige ein gutes Zuhause bietet. Aus Betroffenensicht wird in dem Buch sehr gut vermittelt, wie ein akut psychotischer Mensch auf einen Berufsanfänger wirkt, wie mühsam sich Berufsanfänger orientieren müssen und diese Art von Arbeit erlernen, auf die sie oft ihr Studium oder ihre Ausbildung nicht so gut vorbereitet hat. Wenn aber diese Art von Arbeit passend ist für einen Menschen, bietet sie eine sehr interessante berufliche Aufgabe, wie ich auch als EX-INlerin denke.
Das Buch sei Berufsanfängern in der Sozialen Arbeit empfohlen, allen, die einen ungeschminkten Blick hinter die Kulissen der Sozialpsychiatrie werfen wollen, und Betroffenen, die meinen, professionell Tätige müssten alles können und alles retten, ansonsten seien sie zu verdammen. Wie es oft wohl wirklich ist im Sozialpsychiatrischen Dienst kann man hier gut erfahren!